Ist Reisen nicht furchtbar umständlich? Ich habe im letzten halben Jahr 61 Mal meine Reisetasche gepackt. Ich habe gefühlte 200 Mal meine Reisepassnummer angegeben und zeitweise 8 Währungen mit mir herumgetragen. Ich habe in 57 verschiedenen Betten geschlafen, bin 28 Mal am Zoll Schlange gestanden und habe 8 Mal auf einem Konsulat um ein Visum gebettelt. Ich bin 12 Mal geflogen und habe 228 Stunden in einem Überlandbus verbracht. Ich habe 110 Malaria-Tabletten geschluckt.

Wieso tut man sich das an? Ich habe mir lange darüber Gedanken gemacht, was denn nun eigentlich das Faszinierende war in den letzten Monaten. Sicher ist da die unschlagbar schöne Natur, die Weite, die Stille, der Geruch. Und natürlich habe ich viele spannende Leute kennen gelernt. Leute, die mich beeindruckt haben, von denen ich lernen konnte. Ich habe wunderbare Freundschaften geschlossen, mich aber auch oft verabschieden müssen.

Der grösste Unterschied zum Alltag war aber die Zeit. Unendlich viel Zeit zu haben für alles, was man gerne tut – und fürs Nichtstun. Oder eben keine Zeit zu haben, zeitlos zu leben. Es gab Phasen, wie etwa auf geführten Touren, da hatte ich nicht den leisesten Schimmer, was für ein Wochentag denn gerade sein könnte. Einer der Guides hat uns sogar verboten, nach dem nächsten Tag zu fragen. Wir sollten den Augenblick geniessen, heute leben, nicht an morgen denken.

Wegen der umgekehrten Jahreszeiten musste ich sogar jeweils überlegen, welcher Monat gerade ist. Juni war nicht wie sonst die Zeit, wo es endlich warm wird und es weniger Leute hat beim Pendeln. Es war nicht der Augenblick, wo der Stress in der Firma sich langsam lockert und man erschöpft die Tage bis zu den Sommerferien zählt. Nein, Juni war … spannend. Juni war aufregend. Ein weisser Truck irgendwo in Afrika. Jeden Tag ein neues Abenteuer. Wie lange sind wir schon unterwegs? Keine Ahnung. Egal. Juni war ewig. Juli und August ebenso. Und bei aller Vorfreude aufs Wiedersehen daheim – ich wünschte, der September wäre es auch.