Viele fragen mich, wie sich Weihnachten im Sommer anfühlt. Ich könnte zurück fragen: Welche Weihnachten? Denn abgesehen davon, dass eine einzige Strasse in Kapstadt, die Schule und die grossen Kaufhäuser geschmückt sind (weit weniger üppig als in der Schweiz), merke ich gar nichts davon. Draussen in Sea Point werden zwar an einem Weihnachtsmarkt Guetsli, selbstgemachte Konfi und verzierte Kleiderbügel verkauft, aber solche Anlässe muten uns Europäer doch eher sonderbar an als dass sie die Adventsstimmung fördern. Bei über 30 Grad locken der Strand und ein kühler Drink mehr als Geschenke kaufen.

Dazu kommt, dass ich in einer muslimischen Familie wohne. Die hatten ihre „Weihnachten“ schon. „Eid“, das grosse Fest des Islam, war im November. Es beginnt mit einem Fastentag, danach wird mit Familie und Freunden gefeiert, wobei zum Gedenken an den Propheten Mohammed Schafe geschlachtet und gegessen werden. Dazu läuft im Fernsehen (es gibt hier einen Islam-Sender) tagelang die Live-Übertragung von Pilgern in Mekka und der fortwährende Gebets-Singsang lullt einen herrlich ein bis man friedlich in die Kissen sinkt und wegdöst…

Der Alltag in einer muslimischen Familie unterscheidet sich – zumindest für mich als Gast – nicht gross vom Gewohnten. Soweit ich das mitbekomme, wird nur ausser Haus gebetet. Dafür ziemlich oft. Mein Gastvater besucht fünfmal pro Tag die Moschee, morgens um fünf zum ersten Mal. Die Männer tragen zum Beten ein langes Gewand in weiss oder grau (die Jungen auch mal in Schwarz), dazu die typische Kopfbedeckung. Zu Hause laufen sie in normalen Kleidern rum.

Meine Gastmutter trägt fast immer ein Gewand und auch ein Kopftuch. Die Auswahl reicht von kleingeblümten Kleidern, die eher an einen altmodischen Morgenrock erinnern, über schwarze oder blaue Alltagsgewänder bis hin zum sehr eleganten Kleid in grau mit silbrigglitzernden Verzierungen, welches sie zu festlichen Anlässen trägt. Wenn ich sie, zum Beispiel beim Kochen, mal ohne Kopftuch sehe, habe ich im ersten Moment immer das Gefühl, dass ich mich entschuldigen muss. Wie wenn man jemanden in Unterwäsche ertappt. Aber eigentlich muss sie ihr Haar nur bedecken, wenn fremde Männer da sind.

Alkohol ist für Moslems verboten. Und erstaunlicherweise halten sich die meisten daran. Die Männer in meiner Familie essen von Hand, das heisst mit dem rechten Daumen, Zeig- und Mittelfinger. Meine Gastmutter benutzt eine Gabel. Allerdings kommt sie vor lauter reden meistens sowieso kaum zum essen. Wenn sie mal still ist, hört man im Hintergrund leise und in regelmässigen Abständen eine kurze Melodie. Diese hat jedoch nichts mit Religion zu tun. Es ist das Handy des Sohnes, der ungefähr alle 45 Sekunden ein SMS erhält…